Die Welt braucht mehr Mitgefühl! Zeit für ein neues, spannendes Projekt.
Was macht eigentlich glücklich? In meinem Blog zum Thema „Glück“ habe ich bereits recht ausführlich darüber geschrieben. Auch ich strebe – wie jeder andere von uns – stets danach, einfach glücklich zu sein … mit mir, dem Leben, der Liebe meines Lebens und in meinem Job. Und wenn der Sinn des Lebens das Leben selbst ist, dann tue ich mit meinem Leben auch etwas Sinnvolles!
Für mich ist es absolut sinnstiftend, anderen Menschen zu helfen, etwas besser zu machen. Allerdings gerate ich in meinem Job oft genug in politische oder machtbedingte Streitigkeiten und Auseinandersetzungen. Wenn ich dann immer und immer wieder klarmache, dass Entscheider mit diesem Verhalten in erster Linie und auf Dauer vor allem einem Menschen schaden – nämlich sich selbst –, ernte ich nicht immer gleich Applaus. Das ist mitunter natürlich anstrengend für mich. Dann brauche auch ich meine Strategien, um diese Dinge nicht an mich heranzulassen, einfach weil sie mir nicht guttun. Denn wie heißt es doch: Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit beginnt im Kopf.
Aber bitte nicht falsch verstehen: Das bedeutet nicht, dass man nicht mitfühlen soll. Im Gegenteil! Echtes Mitgefühl für andere Menschen, Tiere, Pflanzen – am Ende für unseren einzigartigen Planeten – ist es, was uns in allen Lebenslagen näher zusammenbringt und in dem die Lösung für alles liegt.
Und damit sind wir schon bei einem äußerst spannenden Thema und einer genauso spannenden Person. Professor Jan Mayer habe ich das erste Mal über Dr. Peter Görlich kennengelernt, als ich bei der TSG Hoffenheim einen Workshop durchführen durfte. Wir hatten uns sofort viel zu erzählen. Über unsere Erfahrungen, Dinge, die uns bewegen, Ansichten und neue Gedankengänge, die uns durch den Kopf gehen. Irgendwie hat es einfach sofort gepasst. Während einer unserer Videokonferenzen habe ich Jan erzählt, dass mir meine Arbeit nach wie vor Spaß macht, dass ich aber noch etwas Sinnvolleres in meinem Leben tun und etwas zurück- oder weitergeben möchte. Ich bat ihn, mir noch mal in Ruhe von seiner Arbeit im Bereich „compassion“ – auf deutsch „Mitgefühl“ – zu erzählen. Und schon während er erzählte, habe ich ihn unterbrochen und gesagt: „Ich will dabei sein!“.
Schon in der Vergangenheit hatte ich immer wieder die Idee, bei etwas mitzuwirken, bei dem es um das Wichtigste im Leben geht: um Mitgefühl und Liebe. Zuerst für sich selbst und dann für andere – denn das ist für mich die Essenz des Lebens und unseres Fortbestands. Gerade in der heutigen Zeit wird es immer wichtiger, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und nicht gegeneinander zu arbeiten. Zum einen für unsere geistige und körperliche Gesundheit, zum anderen für einen friedvollen und mitfühlenden Umgang miteinander und mit unserer Umwelt.
Der Waldexperte und Autor Peter Wohlleben hat es – in Bezug auf unseren Planeten – ebenfalls auf den Punkt gebracht: „Wir betreiben nicht nur Umweltschutz, wir betreiben damit vor allem Menschenschutz!“ Und wenn wir uns schützen und retten wollen, dann brauchen wir vor allem … mehr compassion!
Genau mit diesem Gedankengut hat mich Jan Mayer begeistert. In seiner Laufbahn und bei seiner Arbeit hat er ebenfalls immer mehr festgestellt, dass es eben nicht nur die wissenschaftlichen Fakten sind, die uns weiterbringen, sondern compassion der zentrale Erfolgs-, Glücks- und Lösungsfaktor ist. Jetzt setzt er sich für mehr Mitgefühl in der Gesellschaft – vor allem bei Jugendlichen, aber auch in der Wirtschaft und im Sport – ein.
Gemeinsam mit seiner Kollegin Petra Johns hat Jan Mayer mittlerweile ein Institut gegründet. Mit ihrem Institut ermöglichen sie vielfältige soziale Projekte, um in den unterschiedlichsten Feldern mehr Mitgefühl in die Welt zu bringen.
Ich bin damals wegen der Liebe nach Österreich gezogen und schätze die Natur und die Menschen hier sehr. Deshalb möchte ich mich von hier aus gemeinsam mit Jan und seinen Partnern für mehr Mitgefühl stark machen, über Grenzen hinweg viele spannende Projekte anschieben und Menschen dafür begeistern.
Und jetzt: DARE trifft Professor Jan Mayer.
DARE:
Jan, was war für dich der entscheidende Moment, in dem das Thema „compassion“ in deinen Fokus gerückt ist?
Seit einigen Jahren arbeite ich mit meiner langjährigen Freundin Petra Johns an der inhaltlichen Verquickung von westlicher Sportpsychologie und fernöstlicher Weisheitskultur. Diese inhaltliche Annäherung war sicher wesentlich auf dem Weg zu compassion.
Ich glaube auslösend war dann ein Vortrag bei der Firma Xynteo in Oslo. Mir war gar nicht wirklich bewusst, worum es bei Xynteo genau ging. Der Vortrag hatte das Thema Führung von Teams zum Inhalt. Der Transfer aus dem Fußball in ein Wirtschaftsunternehmen mit vielen jungen Menschen liegt auf der Hand. Nach dem Vortrag nahm mich der CEO zur Seite und informierte mich voller Ernsthaftigkeit, dass sich sein Unternehmen der Mission „safe the planet“ verschrieben hätte, und er fragte mich, ob ich nicht auch mal in meinem Leben etwas Sinnvolles machen wolle.
Diese Frage traf mich mit voller Wucht. Noch im Flugzeug schrieb ich eine Nachricht an Petra, ob wir unsere beiden Kompetenzen (westlich orientierte Sportpsychologie und fernöstliche Weisheitskultur) nicht in ein Workshop-Konzept für Xynteo zusammenführen wollen? Das war der Anfang der Reise, die uns jetzt zu diesem wunderbaren Institut geführt hat.
DARE:
Was glaubst du? Warum brauchen wir gerade jetzt mehr Mitgefühl?
Das Corona-Virus stoppt ja scheinbar die ganze Welt. Die gesamte Maschinerie wurde runtergefahren – nicht langsam, gemächlich, verträglich und vorsichtig abgebremst, sondern wie eine Notbremse: abrupt, sofort, unvermittelt, knallhart, konsequent alle Folgen in Kauf nehmend. Und das macht was mit uns als Gesellschaft!
Viele Menschen haben immense wirtschaftliche Einbußen, viele müssen gerade in diesen Zeiten besonders hart arbeiten und viele machen sich Sorgen, wie es weitergehen kann. Die Kinder dürfen nicht in die Schule, Homeoffice wird zur Herausforderung und Kontakteinschränkungen beeinflussen das Miteinander in der Gesellschaft immens.
Aber genau diese Zeit bietet auch die Chance, über uns als Gesellschaft nachzudenken und zu versuchen, dieser Zeit etwas Positives abzugewinnen. Der Astronaut Alexander Gerst findet es sogar sehr wichtig, dass man jetzt in dieser Situation positiv nach vorne schaut. Es sei eine Chance für die Menschen auf der ganzen Welt, jetzt zusammenzuhalten.
DARE:
Ist Mitgefühl für dich damit auf die Corona Situation beschränkt?
Keinesfalls. Die Menschheit braucht in vieler Hinsicht einen Wandel zu mehr Mitgefühl. Seit Monaten gehen Kinder und Jugendliche auf die Straße, um für das Klima zu demonstrieren, eine Klimakonferenz nach der anderen scheitert daran, einen Konsens beim Klimaschutz zu finden, der Müll in den Weltmeeren nimmt zu. Eine weltweite Flüchtlingswelle ist nicht mehr zu kontrollieren und führt zu Grenzschließungen, und dem Hunger in der dritten Welt begegnet man zaghaft und resigniert vor dem unfassbaren Leid in großen Teilen der Menschheit.
Die Leidtragenden unseres Lebensstils sind auch wir selber. Wir werden zwar immer älter, aber viele von uns leiden auch, sind nicht glücklich, werden krank. Noch nie war das Auftreten psychischer Erkrankungen so häufig und gravierend wie heute. Die Wohlstandsgesellschaft reagiert mit Konsum und Materialismus. Konkurrenz und Wettbewerb bestimmen unser Leben. Nach wie vor ist wirtschaftliches Wachstum primäres Ziel.
Gerald Hüther hat in seinem Buch „Würde“ in diesem Zusammenhang über die Verirrten geschrieben. Er macht Hoffnung, wonach viele der Verirrten aufwachen. Das Aufwachen erfolgt durch intensive emotionale Erfahrungen: manchmal durch eine Diagnose, eine Verurteilung, eine Begegnung – oder vielleicht auch durch ein Virus.
Die aktuelle Situation hat Potenzial, sie bietet die Möglichkeit, dass sich ein alter Zustand auflöst und in vieler Hinsicht Platz macht für etwas Neues, etwas Besseres.
DARE:
Wie siehst du die Rolle der Politik in dieser Situation aus der Mitgefühls-Perspektive?
Die Politik scheint gefragt. Allerdings fehlen die Lösungen. Die Politik verliert sich darin, Ängste zu schüren, immer neue Drohszenarien medial zu verbreiten, Verbote und Einschränkungen zu erstellen und ein gegenseitiges Denunzieren der Mitbürger fahrlässig in Kauf zu nehmen.
Ich frage mich immer, wo bleiben die Lösungen für ein friedvolles und liebevolles, bewusstes Sein? Wie kann ein stimmiger Zustand zu sich selbst, zu anderen und zur Welt in diesen besonderen Zeiten ermöglicht werden?
Mitgefühl und Achtsamkeit sind der Schlüssel zur dringend erforderlichen Bewusstseins- und Verhaltensänderung der Menschen, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen: Mitgefühl und Achtsamkeit mit sich selbst, das heißt geistige und körperliche Gesundheit und Resilienz. Mitgefühl und Achtsamkeit mit anderen als liebevoller, wohlwollender und unvoreingenommener Umgang miteinander. Und natürlich Mitgefühl und Achtsamkeit mit der Umwelt als rücksichtsvoller und respektvoller Umgang mit Umwelt und Natur.
DARE:
Wie kann man diesen Prozess aus deiner Sicht denn anschieben?
Mitgefühl und Achtsamkeit sind ganz kleine, aber elementar wichtige Bestandteile im gesellschaftlichen Miteinander. Mit kleinen und effizienten Maßnahmen und Methoden kann es gelingen, mehr Mitgefühl und Achtsamkeit in den Alltag zu bringen. Die Welt ist voller Lösungen. Es braucht: Formate, Raum und Gelegenheit zum Innehalten und zur Stille, damit individuelle Findung und Orientierung möglich wird. Aus meiner Sicht gibt es unter uns gerade in diesen Zeiten eine Mehrheit dafür, freundlich, sanft, human und solidarisch miteinander umzugehen. Aber diese Mehrheit kommt nur zusammen und kann nur mobilisiert werden, wenn sich jemand findet, die oder der dieses humane Potenzial anspricht.
Und hier weiß ich, dass wir mit unserem Institut spannende Projekte und neue Ansätze umsetzen werden. Das ist nötig, sinnvoll und macht sogar unheimlich Spaß!
Danke, lieber Jan – darauf und auf die Arbeit mit Euch freue ich mich riesig!
Und in diesem Sinne – DARE to be compassionate!
Ihre Daniela Rebholz