Macht – gut oder schlecht? Überlegungen zu einer unendlichen Diskussion.
„Willst Du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht.“ So sagte es schon Abraham Lincoln. Wie Recht er damit hatte. Denn Macht ist nur das, was wir daraus machen … aber was hat es mit der Macht sonst noch so auf sich?
Um das zu klären, werfen wir am besten zuerst einen kleinen Blick in die wundersame Welt der Psychologie. Wir „Psychos“ unterscheiden vier Basismotive: die Leistungsmotivation, die Freiheitsmotivation, die Beziehungsmotivation … und die Machtmotivation. Motive sind etwas ganz Wunderbares, sie geben uns Energie und Kraft für unser Handeln. Bestenfalls wird dieses Handeln auch noch in eine bestimmte Richtung gelenkt, zum Beispiel durch Visionen und Ziele. Motive dienen uns somit auch zur Befriedigung unserer so wichtigen, durch unsere persönlichen Werte beeinflussten Bedürfnisse.
Erst kürzlich habe ich in einem Workshop wieder gefragt, welches Motiv wohl für eine Führungskraft besonders wichtig sei. Gerade Frauen tippen hier sehr gerne auf das Beziehungsmotiv. Natürlich ist es immens wichtig, eine gute Beziehung und Vertrauen zu seinen Mitarbeitenden aufbauen zu können und wertschätzend mit ihnen umzugehen … aber hierbei handelt es sich um die zweifellos wichtigen sozialen Kompetenzen. Will ich jedoch Führungskraft sein, dann ist vielmehr das Machtmotiv am meisten gefragt. Und dieser Machtwille ist auch erlaubt! Gerade auch für uns Frauen. ;O)
Unsere Motive sind uns allerdings nur zum Teil wirklich bewusst. Deshalb führe ich mit neuen Coachees sehr oft vorab einen TOP/EOS-Persönlichkeitsscan von Professor Julius Kuhl durch. So habe ich genau diese persönlichen Motive und Antriebe im Blick. Durch diesen Test kann ich noch etwas wunderbar sehen: nämlich, ob sich die unbewussten Motive von der bewussten Motivumsetzung unterscheiden. Je größer hier der Unterschied ist, desto weniger werden die unbewussten Motive ausgelebt. Und desto mehr lebt die jeweilige Person gegen ihre natürlichen Antriebe.
Gerade das Machtmotiv wird oft mit etwas Negativem in Verbindung gebracht. Zum Beispiel mit etwas Manipulativem, Ungerechtem, Verschwörerischem oder Geheimnisvollem. Mal angenommen, jemand besitzt unbewusst(!) ein sehr großes Machtmotiv, gleichzeitig hat sich bei ihm oder ihr aber der Glaubenssatz stark eingeprägt, dass Macht etwas Schlechtes sei. Dann wird diese Person dieses Bedürfnis nicht genügend befriedigen, sondern lebt gegen ihr natürliches Motiv, was unbewusst Stress auslösen kann. Geschieht dies sehr lange, so kann es nicht nur psychische, sondern auch körperliche Auswirkungen haben und schlicht und einfach unglücklich machen.
Höchste Zeit also, das Machtmotiv ins rechte Licht zu rücken. Macht ist wie Geld – weder gut noch schlecht. Mit dem englischen Wort „Power“ verbinden Sie wahrscheinlich viel positivere Assoziationen als mit dem Wort „Macht“. Und „Empowerment“ – sich selbst und andere „empowern“ – klingt doch auch schon viel besser.
Wer mich näher kennt, wird es vielleicht nicht gleich glauben, aber auch mich persönlich zeichnet ein starkes Machtmotiv aus. Zum einen möchte ich Macht über mich selbst und bin selbstständig – hier spielt auch mein Freiheitsmotiv noch eine große Rolle. Zum anderen will ich in meinen Trainings Einfluss nehmen, um Menschen dabei zu unterstützen, zu „empowern“ und über oftmals selbst gesetzte Grenzen zu wachsen. Im Coaching kitzel‘ ich vielleicht Ungeahntes aus meinen Klienten heraus, und sie nehmen Dinge selbst in die Hand. Hilfe zur Selbsthilfe also! Indem ich meinen Klienten zum Beispiel im Mentaltraining helfe, die eigenen Power-Knöpfe zu finden und sie mit ihnen „bespiele“, übe ich also auch Macht aus. Und genau das genieße ich … bei solchen Prozessen dabei zu sein. Das ist mein Lebenselexier, das ist mir ein Bedürfnis.
Gerade eine Führungskraft sollte Power haben. Nur so kann sie Menschen führen, sie über eine starke Vision und Ziele begeistern und dazu befähigen, mit Spaß und Flow besser zu werden als sie selbst. Das ist Machtausübung im positiven Sinn. Mahatma Gandhi hatte schließlich auch große Macht und hat Menschen „empowered“ – indem er ihnen Hoffnung und vor allem Mut machte.
Gandhi besaß zudem großes Charisma, und genau diese Kombination wird auch in Zukunft gefragt sein: Macht gepaart mit Charisma, Begeisterungsfähigkeit und Demut. Dies sind keine Gegensätze, ganz im Gegenteil. Wenn ich mir meiner Macht bewusst bin, sie richtig nutze, kann ich auch Fehler zugeben und mich freuen, wenn andere besser sind als ich selbst. Und vor allem kann ich dankbar sein, diese Macht ausleben zu dürfen. Denn genau das macht glücklich.
Und von noch etwas bin ich überzeugt: In Zukunft werden nicht mehr diejenigen Menschen die größte Macht haben, die ganz oben im größten Büro sitzen, sondern diejenigen, die die größte Macht im Netz(-werk) haben, die Menschen für sich selbst begeistern und empowern und die eine Arbeitsatmosphäre schaffen, die zum Wohlfühlen und Selbstwachstum einlädt. Denn wie schon gesagt: Macht an sich ist nicht gut oder schlecht, sondern das, was wir aus ihr machen!
DARE to be powerful!
Ihre Daniela Rebholz