Routinen und Rituale ganz für mich alleine. Warum sie so wichtig sind.
“GO OUT of your comfort zone! That’s where the MAGIC happens!” Diesen Satz hört man oft auf Motivationsseminaren oder wenn jemand in einer flammenden Rede zum Aufbruch in einen Change-Prozess aufruft. Denn „Stillstand ist ja Rückschritt“!
Ja, Stillstand ist Rückschritt, und außerhalb der Komfortzone passieren tatsächlich Dinge, die uns euphorisch stimmen können – allein schon dadurch, dass wir uns mal wieder etwas getraut haben. Frei nach dem Motto „Wann haben Sie zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht?“
ABER ;o) : Wir sind nun mal „Gewohnheitstiere“, und den meisten Menschen bereiten Veränderungen zuerst einmal Stress und Unbehagen. Darum schreien bei einem Veränderungsprozess auch nicht alle gleich „Hurraaaa!!! Endlich raus aus unserer gewohnten Routine“. Wir mögen einfach gerne Routinen und Rituale, die uns beruhigen und Sicherheit geben in dieser – tatsächlich oder scheinbar – immer unsicherer und sprunghafter werdenden Welt. Und doch können uns genau diese Rituale, wenn wir sie nur ein bisschen verändern, zur schrittweisen Verbesserung verhelfen. Mit dem schönen Nebeneffekt, dass dies meist auch Veränderung bedeutet.
Ein namhaftes Unternehmen hat vor einigen Jahren ein neues Gebäude gebaut, bei dem alles von heute auf morgen neu, supermodern und fast ausschließlich aus Glas war. Das bedeutet: Alle Besprechungsräume und die Schreibtische in den Großraumbüros, die auch noch von einer Galerie eingerahmt wurden, waren von allen Seiten und somit auch von oben einsehbar. Keine Rückzugsräume, keine Nische, noch nicht einmal eine Topfpflanze, die „Schutz“ oder zumindest Sichtschutz geboten hätte.
Was glauben Sie, was nach einiger Zeit passiert ist? Ganz richtig, die Mitarbeiter wurden krank. Es war Dauerstress, sich immer und überall beobachtet zu fühlen und keinen ruhigen und schützenden Ort für sich selbst zu haben. Also hat man wieder angefangen Sichtschutzwände einzuziehen und die Besprechungsräume mit Vorhängen zu versehen.
Das zeigt: Die meisten von uns brauchen es gemütlich – brauchen Raum für sich. Deshalb richten wir uns auch zuhause so ein, dass wir uns persönlich wohlfühlen. Denn Fakt ist: Nur wenn wir eine solche räumliche BASIS haben und auch eine menschliche BASIS – durch Familie und / oder Freunde –, dann können wir von dieser Basis aus RAUS aus der Komfortzone und in neue Abenteuer starten.
Beides zusammen ist also wichtig, um erfüllter und glücklicher durchs‘ Leben zu gehen. Ein Rückzugsort, aber auch Routinen und Rituale, die Sicherheit vermitteln UND die kleinen und großen Abenteuer, die uns am Puls des Lebens halten und dafür sorgen, dass wir in unserem Kopf flexibel bleiben.
Schauen wir uns diese Routinen und Rituale doch mal etwas genauer an.
Der frühe Vogel fängt den Wurm. Nicht wenige Menschen sind mittlerweile dem von Robin Sharma 2018 in dem gleichnamigen Buch beschriebenen „5 AM Club“ „beigetreten“. Hier gestaltet man frühmorgens 3 x 20 Minuten (bewegen, reflektieren, „wachsen“) mit seinen ganz individuellen, energie- und ruhegebenden Ritualen. Die einen meditieren, machen Sport und lesen. Die anderen hören auch schöne Musik, genießen ihr Kaffee- oder Teeritual und gestalten sich somit ihre Zeit nach ihren Wünschen und für ihr Wohlbefinden. Durch solche Rituale und Anker starten wir mit einer ganz anderen und positiven Haltung energiereich in den Tag.
Mein Tag startet nicht um 05:00 Uhr, trotzdem brauche auch ich zuerst meine Rituale. Meditieren, raus auf den Berg gehen oder Yoga mit meiner Lieblings-Yoga-Youtuberin Mady Morrison und nicht zuletzt Wechselduschen. Danach fühle ich mich einfach nur gut und genieße den Rest des Tages viel intensiver. Auch mein Stoffwechsel ist angeregt und so arbeitet er den ganzen Tag über effektiver. Und wenn ich das Morgenlicht genieße, bin ich gleich wacher und bereit für meine kleinen Abenteuer. ;o)
Im Gegensatz hierzu pflegen allerdings zahlreiche Mitmenschen ein vollkommen anderes Ritual. Nach einem eh schon kräftezehrenden und anstrengenden Tag müssen sie unbedingt noch in die Sportschuhe hüpfen und sich – oft aus schlechtem Gewissen – nach 20:00 Uhr oder 21:00 Uhr voll auspowern. Gut gedacht – schlecht gemacht… Durch Stress, viel Arbeit und vielleicht noch übermäßigen Kaffeekonsum ist unser Körper am Abend sehr wahrscheinlich bereits im sauren pH-Bereich. Und jetzt wollen wir nochmals Gas geben, weil wir glauben, dass uns das gut tut. In Wirklichkeit übersäuern wir noch mehr, und unser Körper sollte um diese Uhrzeit auch nicht mehr auf Hochtouren laufen, sondern schon längst auf den Feierabend oder Ruhemodus und den so wichtigen Schlaf vorbereitet werden. Wer den ganzen Tag und auch noch spät abends nur Gas gibt, der muss sich nicht wundern, wenn er oder sie mit weit aufgerissenen Augen im Bett liegt, sich hin und her wälzt und keine Ruhe findet. Woher soll diese Ruhe auch kommen?
Also: Lieber die Morgenstunde nutzen, am frühen(!) Abend Sport machen oder, wenn es gar nicht anders geht, später nur noch einen ganz leichten und meditativen Lauf zur Entsäuerung und zum Abschalten. Das können sinnvollere Routinen und Rituale sein.
Auch Sportler haben durch ihre Trainingspläne gewisse Routinen, zusätzlich setzen sie gerade vor Wettbewerben auch auf bestimmte Rituale. Diese versetzen sie in den für den Wettkampf richtigen Zustand. Ein Schütze zum Beispiel braucht Ruhe und Fokussierung, um eine ruhige Hand zu haben. Ein Rennfahrer muss sich aktivieren, um hellwach und bereit für den Start zu sein. Darüber hinaus vermitteln diese bestimmten, immer gleichen Anker oder Abläufe ein starkes Sicherheitsgefühl, Selbstvertrauen und die Überzeugung, dass ich jetzt alles geben und auch ernten kann.
Und: Ein erfahrener Sportwissenschaftler setzt für seine Schützlinge zusätzlich auch immer wieder neue(!) Reize. Denn er weiß: Nur so lässt sich die Leistung kontinuierlich steigern.
Und so sollten auch wir im Alltag – neben unseren schönen und sinnstiftenden Routinen – immer wieder mal neue Wege zur Arbeit fahren und symbolisch den PC von links nach rechts stellen, wenn wir uns signalisieren wollen, dass jetzt etwas Neues startet.
Wie schon gesagt: Die Mischung macht es. Neben der Stabilität brauchen wir immer auch den Gegenpol der Flexibilität, die uns das Leben spüren lässt und uns zu neuen Höhen beflügeln kann. Es lohnt sich!!!
Wem das momentan noch zu abenteuerlich ist, dem empfehle ich die 1%-Methode von James Clear: „Minimale Veränderung, maximale Wirkung.“ Soll heißen: Wenn ich jeden Tag 1% an der Veränderung arbeite, dann sind das satte 365% am Ende eines Jahres ;o) – und das kann sich doch sehen lassen, oder?
DARE to do small steps!
Ihre Daniela Rebholz